Diagnostik und Therapie von Angst- und Zwangsstörungen (ICD-10: F4)

1 Diagnostik und Therapie von Angst- und Zwangsstörungen ...
Author: Gudrun Gerstle
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1 Diagnostik und Therapie von Angst- und Zwangsstörungen (ICD-10: F4)Vorlesung, UaK (F2, F3) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Diagnostik und Therapie von Angst- und Zwangsstörungen (ICD-10: F4) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Zentrum für Psychosoziale Medizin Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE)

2 Vorlesung, UaK (F2, F3) Erstellung des Inhalts:Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Erstellung des Inhalts: Prof. Dr. Martin Lambert, Prof. Michael Kellner Lehrbeauftragter Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Zentrum Psychosoziale Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) Martinistr. 52, Hamburg Gebäude W37 Tel.: Fax:

3 Überblick Grundlagen Soziale und spezifische PhobienKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen Epidemiologie Einleitung der Angststörungen Übersicht zum Krankheitsbild Ätiopathogenese Klassifikation nach ICD-10, DSM-IV und Differentialdiagnose Soziale und spezifische Phobien Diagnostik und Therapie Agoraphobie und Panikstörung Diagnostik und Therapie Generalisierte Angststörung (GAS) Diagnostik und Therapie Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) Diagnostik und Therapie Zwangsstörung Diagnostik und Therapie Kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen 3

4 Grundlagen: EpidemiologieKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen: Epidemiologie

5 1-Jahres-Prävalenz von Angst- und Zwangsstörungen in Europa (2005 / 2011)Gesamtjahresprävalenz von Angst- und Zwangsstörungen: 2005: 14.9% 2011: 16.3% Wittchen et al. European Neuropsychopharmacology (2011) 21, 655–679

6 Betroffene mit von Angst- und Zwangsstörungen in Europa (2005 / 2011)Gesamtzahl Betroffene: 2005: 48.1 Millionen 2011: 60.0 Millionen Wittchen et al. European Neuropsychopharmacology (2011) 21, 655–679

7 Erkrankungen mit den meisten Lebensjahren mit Behinderung in Europa 20112011 rangierte die Panikstörung auf Platz 10 und die Zwangsstörung auf Platz 12 unter allen psychischen und neurologischen Erkrankungen! Wittchen et al. European Neuropsychopharmacology (2011) 21, 655–679

8 Einleitung der AngststörungenKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen: Einleitung der Angststörungen

9 Angst – normal oder pathologisch?Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Angst ist auch Gesunden vertraut Angst spielt sich in mehreren Ebenen ab: kognitiv, emotional, körperlich Pathologische Ängste sind… …unangemessen gegenüber Bedrohungsquellen (Phobie) …unangemessen in der Symptomausprägung (Intensität, Persistenz, subjektive Beeinträchtigung) …beeinträchtigend (Beruf, soziale Aktivitäten, Leiden) Einteilung in… …Primärängste (Angsterkrankungen i. e. S.) …Sekundärängste (ausgelöst durch körperliche oder psychiatrische Grunderkrankungen, z.B. KHK, Asthma, Depression) Quellenangaben: Strian, F., Angst und Angsterkrankungen. Beck, 2003 9

10 Definitionen von AngstformenKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Furcht: Realistische Antwort auf eine objektive Bedrohung mit identifizierbarem Stimulus (aktuell) Phobie: Unrealistische Antwort auf einen objektiv unbedrohlichen, identifizierbaren Stimulus Panikattacke: Diskrete Periode intensiver Angst oder Unbehagens, die durch bestimmte körperliche, behaviorale und kognitive Symptome begleitet wird Angst: Unrealistische Furcht vor nicht-identifizierbarem Stimulus 10

11 Objekt- und situationsgebundene Angst:Einteilung der Angststörungen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Spontane Angst: Anfallsartig  Panikstörung Durchgehend  Generalisierte Angststörung Objekt- und situationsgebundene Angst: Phobien 11

12 Übersicht zum KrankheitsbildKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen: Übersicht zum Krankheitsbild

13 Übersicht zum Krankheitsbild (I)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Krankheitsaspekt Panikstörung/Agoraphobie Generalisierte Angststörung Soziale Phobie Spezifische Phobie Lebenszeitprävalenz 6,1% 5,7% 12,1% 12,5% 12-Monatsprävalenz 3,5% 3,1% 6,8% 8,7% Geschlechterverhältnis (f:m) 2,2 : 1 2 : 1 1,4 : 1 2,3 : 1 Erkrankungsalter (Median) 24 31 13 7 Wichtige Komorbiditäten Andere Angststörungen, Depression, Dysthymie, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen Erbfaktor 48% 31,6% 24-51% 20-40% Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 13

14 Übersicht zum Krankheitsbild (II)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Krankheitsaspekt Panikstörung/Agoraphobie Generalisierte Angststörung Soziale Phobie Spezifische Phobie Leitlinien Evidence-based Guidelines for the Pharmacological Treatment of Anxiety Disorders: Recommendations from the British Association for Psychopharmacology World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) Guidelines for the Pharmacological Treatment of Anxiety, Obsessive-Compulsive and Post-Traumatic Stress Disorders – First Revision National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE). Anxiety (amended): Management of Anxiety (Panic Disorder, with or without Agoraphobia, and Generalised Anxiety Disorder) in Adults in Primary, Secondary and Community Care Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 14

15 Verlauf Folgen Übersicht zum Krankheitsbild (III)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Verlauf Spontanremission ca. 20% Mittlere Zeitdauer zwischen Manifestation und Diagnose 5-15 Jahre Folgen Vermeidungsverhalten Sekundäre Folgeerkrankungen Psychosoziale Auswirkungen Hohes Inanspruchnahmeverhalten des medizinischen Versorgungssystems (z.B. Fehlbehandlung) 15

16 Grundlagen: ÄtiopathogeneseKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen: Ätiopathogenese

17 Multifaktorielle EntstehungAngststörungen - Ätiopathogenese Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Multifaktorielle Entstehung Genetische Vulnerabilität (erhöhte Angstbereitschaft) Neurochemische Dysfunktionen (u. a. serotonerg, noradrenerg, GABAerg) Angst generierende Faktoren in der Lebensgeschichte Traumatische Kindheitserfahrungen Erziehungsstile Modelllernen Belastende Lebensereignisse Fehlkonditionierungen 17

18 Grundlagen: Klassifikation nach ICD-10, DSM-IVKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen: Klassifikation nach ICD-10, DSM-IV und Differentialdiagnose

19 Klassifikation der Angststörungen nach ICD-10 (I)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie F40 Phobische Störung F40.0 F40.00 F40.01 Agoraphobie Ohne Angaben einer Panikstörung Mit Panikstörung F40.1 Soziale Phobien F40.2 Spezifische (isolierte) Phobien F40.8 Sonstige phobische Störungen F41 Sonstige Angststörungen F41.0 Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) F41.1 Generalisierte Angststörung F41.2 Angst und depressive Störung, gemischt F41.3 Sonstige gemischte Angststörungen F41.8 Sonstige näher bezeichnete Angststörung F41.9 Nicht näher bezeichnete Angststörung

20 Klassifikation der Angststörungen nach ICD-10 (II)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie F42 Zwangsstörung F42.0 Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) F42.2 Zwangsgedanken und –handlungen, gemischt F42.8 Sonstige Zwangsstörungen F42.9 Nicht näher bezeichnete Zwangsstörung

21 Klassifikation der Angststörungen nach ICD-10 (III)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie F43 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen F43.0 Akute Belastungsreaktion F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung F43.2 F43.20 F43.21 F43.22 F43.23 F43.24 F43.25 Anpassungsstörung Kurze depressive Reaktion Längere depressive Reaktion Angst und depressive Reaktion gemischt Mit vorwiegender Störung anderes Gefühle Mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens Mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten F43.8 Sonstige Reaktionen auf schwere Belastungen F43.9 Nicht näher bezeichnete Reaktion auf schwere Belastung

22 Unterschiede Klassifikation Angststörungen ICD-10 vs. DSM-IV (I)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie ICD-10 DSM-IV F40 Phobische Störungen F40.0 F40.00 F40.01 Agoraphobie Agoraphobie ohne Panikstörung Agoraphobie mit Panikstörung 300.22 300.21 Agoraphobie ohne Panikstörung in der Vorgeschichte Panikstörung mit Agoraphobie F40.1 Soziale Phobie F40.2 Spezifische (isolierte) Phobie 300.29 Spezifische Phobie

23 Unterschiede Klassifikation Angststörungen ICD-10 vs. DSM-IV (II)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie ICD-10 DSM-IV F41 Andere Störungen F41.0 Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst 300.1 Panikstörung ohne Agoraphobie F41.1 Generalisierte Angststörung 300.2 F41.2 Angst und Depression, gemischt F41.3 Andere gemischte Angststörungen 300.0 Angststörung nicht näher bezeichnet 300.3 Zwangsstörung 309.81 Posttraumatische Belastungsstörung 308.3 Akute Stresserkrankung 293.89 Angststörung aufgrund des medizinischen Allgemeinzustandes

24 Ausschluss primärer somatischer UrsachenAngststörungen: Differentialdiagnose Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Ausschluss primärer somatischer Ursachen Neurologische Erkrankungen (z. B. Tumor, Enzephalitis, …) Endokrine und metabolische Erkrankungen (z. B. Schilddrüsenstörung, Porphyrie, …) Entzündliche Erkrankungen (z. B. Lupus erythematodes, …) Intoxikationen (z. B. Coffein, Cannabis, …) Ausschluss primärer psychiatrischer Störungen

25 Soziale und spezifische Phobien:Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Soziale und spezifische Phobien: Diagnostik und Therapie

26 Wird durch Konfrontation fast unvermeidlich hervorgerufen Phobische Angst Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Wird durch Konfrontation fast unvermeidlich hervorgerufen Ist übermäßig angesichts geringer Bedrohung Führt zu Erwartungsangst Der Betroffene weiß um die Diskrepanz zwischen geringer Bedrohung und subjektivem Erleben Unterscheidung: „Soziale Phobien“ „einfache, spezifische, isolierte Phobien“

27 Spezifische Untergruppen:Spezifische Phobie (I) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Anhaltende, irrationale Ängste vor bestimmten Objekten oder Situationen Spezifische Untergruppen: natürliche Umgebung (z. B. Tiere, Insekten, Sturm, Wasser), Blut, Spritzen, Verletzungen, situativ (z. B. Autos, Flugzeuge, Höhen, Aufzüge, Tunnels, Brücken), sonstige (z. B. phobische Vermeidung von Situationen, die zum Ersticken, zum Erbrechen oder zu Krampfanfällen führen könnten).

28 Beginn: meist Kindheit oder Adoleszenz Spezifische Phobie (II) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie 1-Jahres Prävalenz: 9% Beginn: meist Kindheit oder Adoleszenz Verlauf: spontane Remission, teils chronisch Meist keine Behandlung, da kaum Beeinträchtigung Therapie: Verhaltenstherapie

29 Spezifische Phobie – DSM-IVKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Diagnostische Kriterien (Auszug) Quellenangaben: APA (2003) A Durch die Anwesenheit oder die Erwartung eines spezifischen Objektes oder einer spezifischen Situation ausgelöste Angst (z. B. Fliegen, Höhen, Tiere, Spritzen, Blut). B Die Konfrontation mit dem spezifischen Stimulus löst fast immer eine unmittelbare Angstreaktion aus, die die Form eines Angstanfalls annehmen kann. C Die phobischen Stimuli werden vermieden oder mit starker Angst ertragen. D Die gefürchteten sozialen oder Leistungssituation werden vermieden oder nur unter intensiver Angst oder Unwohlsein ertragen. E Die Person erkennt, dass die Angst übertrieben oder unvernünftig ist. F Die Vermeidung oder die ängstlichen Erwartungen verursachen ausgeprägtes Leiden oder beeinträchtigen die berufliche oder soziale Funktionsfähigkeit.

30 Angst vor prüfender Betrachtung in kleinen Gruppen Soziale Phobie Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Angst vor prüfender Betrachtung in kleinen Gruppen Erröten, kein Blickkontakt, Zittern, Übelkeit Kommt in spezifischen Situationen oder generalisiert vor Große Alltagsbeeinträchtigung Beginn: meist in der Jugend Verlauf: chronisch fluktuierend

31 Soziale Phobie – DSM-IVKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Diagnostische Kriterien (Auszug) Quellenangaben: APA (2003) A Eine ausgeprägte und anhaltende Angst vor einer oder mehreren sozialen oder Leistungssituationen, bei denen die Person mit unbekannten Personen konfrontiert ist oder von anderen Personen beurteilt werden könnte. Die Person fürchtet, ein Verhalten (oder Angstsymptome) zu zeigen, das demütigend oder peinlich sein könnte. B Die Konfrontation mit der gefürchteten Situation ruft fast immer eine unmittelbare Angstreaktion hervor, die das Erscheinungsbild eines situationsgebundenen oder eine situationsbegünstigten Panikattacke annehmen kann. C Die Person sieht ein, dass die Angst übertrieben und unvernünftig ist. D Die gefürchteten sozialen oder Leistungssituation werden vermieden oder nur unter intensiver Angst oder Unwohlsein ertragen. E Andere gemischte Angststörungen F Das Vermeidungsverhalten, die ängstliche Erwartungshaltung oder das Unbehagen in den gefürchteten sozialen oder Leistungssituationen beeinträchtigt deutlich die normale Lebensführung der Person, ihre berufliche (oder schulische) Leistung oder soziale Aktivitäten oder Beziehungen, oder die Phobie verursacht erhebliches Leiden. G Bei Personen unter 18 Jahren hält die Phobie über mindestens sechs Monate an.

32 Soziale Phobie - ErstmanifestationKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Schneier et al., 1992

33 Nicht-pharmakologisch:Therapie: Soziale Phobie Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Nicht-pharmakologisch: Expositionsübungen Kognitive Restrukturierung Entspannungsverfahren Training sozialer Kompetenz Pharmakotherapie: Benzodiazepine nur vorübergehend SSRI, z.B. Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin SNRI, z.B. Venlafaxin RIMA: Moclobemid

34 Agoraphobie und Panikstörung: Diagnostik und TherapieKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Agoraphobie und Panikstörung: Diagnostik und Therapie

35 Phobische Befürchtung bezieht sich auf:Agoraphobie Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Phobische Befürchtung bezieht sich auf: Situationen, in denen Flucht oder Hilfe unmöglich erscheint Öffentlichkeit Situationen, in denen Sicherheit vermittelnde Person nicht verfügbar ist Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug Begleitung wirkt entlastend Einsicht, dass Furcht übertrieben / unsinnig ist Oft Kompensation durch symbiotische Bindung

36 Agoraphobie – DSM-IV Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Diagnostische Kriterien (Auszug) Quellenangaben: APA (2003) A Angst, an Orten zu sein, von denen eine Flucht schwierig (oder peinlich) sein könnte oder wo im Falle einer unerwarteten oder durch die Situation begünstigten Panikattacke oder panikartiger Symptome Hilfe nicht erreichbar sein könnte. Agoraphobische Ängste beziehen sich typischerweise auf charakteristische Muster von Situationen: z.B. alleine außer Haus zu sein, in einer Menschenmenge zu sein, in einer Schlange zu stehen, auf einer Brücke zu sein, Reisen im Bus, Zug oder Auto. B Die Situationen werden vermieden (z. B. das Reisen wird eingeschränkt), oder sie werden nur mit deutlichem Unbehagen oder mit Angst vor dem Auftreten einer Panikattacke oder panikähnlicher Symptome durchgestanden bzw. können nur in Begleitung aufgesucht werden. B (ohne Panik) Die Kriterien für Panikstörung wurden zu keiner Zeit erfüllt. C Die Angst oder das phobische Vermeidungsverhalten werden nicht durch eine andere psych. Störung besser erklärt, wie Soziale Phobie (z.B. die Vermeidung ist aus Angst vor Peinlichkeiten auf soziale Situationen beschränkt), Spezifische Phobie (z. B. die Vermeidung ist beschränkt auf einzelne Situationen, wie z. B. Fahrstuhl), Zwangsstörung (z. B. die Vermeidung von Schmutz aus zwanghafter Angst von Kontamination), Posttraumatische Belastungsstörung (z. B. Vermeidung von Reizen, die mit einer schweren belastenden Situation assoziiert sind), oder Störung mit Trennungsangst (z. B. es wird vermieden, das Zuhause oder die Angehörigen zu verlassen). Unterschied DSM-IV / ICD-10

37 Panikstörung – DSM-IV Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Diagnostische Kriterien (Auszug) Quellenangaben: APA (2003) A Sowohl (1) als auch (2) wiederkehrende unerwartete Panikattacken bei mindestens einer der Attacken folgte mindestens ein Monat mit mindestens einem der nachfolgend genannten Symptome: Anhaltende Besorgnis über das Auftreten weiterer Panikattacken Sorgen über die Bedeutung der Attacke oder ihre Konsequenzen (z. B. die Kontrolle zu verlieren, einen Herzinfarkt zu erleiden, verrückt zu werden), deutliche Verhaltensänderung infolge der Attacken. B Es liegt keine Agoraphobie vor. C Die Panikattacken gehen nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z. B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Hyperthyreose) zurück. D Die Panikattacken werden nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt, wie z.B. Soziale Phobie (Panikattacken nur bei Konfrontation mit gefürchteten sozialen Situationen), Spezifische Phobie (Panikattacken nur bei Konfrontation mit spezifischer phobischer Situation), Zwangsstörung (Panikattacken nur bei Konfrontation mit Schmutz bei zwanghafter Angst vor Kontamination), Posttraumatische Belastungsstörung (Panikattacken nur als Reaktion auf Reize, die mit einer schweren, belastenden Situation assoziiert sind) oder Störung mit Trennungsangst (Panikattacken als Reaktion auf die Abwesenheit von zu Hause oder engen Angehörigen).

38 Menschenmassen, Sportereignis Kaufhäuser Kirche, Kino, Hörsaal Typische agoraphobe Situationen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bus, Zug, Jet Brücke, Tunnel Allein zu Hause Von zu Hause entfernt Menschenmassen, Sportereignis Kaufhäuser Kirche, Kino, Hörsaal Anstehen ...

39 Ausgestanzte Episode intensiver Angst Plötzlicher Beginn Panikattacken Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Ausgestanzte Episode intensiver Angst Plötzlicher Beginn Höhepunkt ≤ 10 Minuten Abklingen: Minuten Situativ gebunden  Phobien Unerwartet  Panikstörung Situativ prädisponiert  Panikstörung

40 Panikattacken - SymptomeKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Herzklopfen, Tachykardie Schwitzen Zittern, Beben Atemnot, Beklemmungsgefühle Benommenheit, Ohnmachtsgefühl Erstickungsgefühle Übelkeit Depersonalisation, Derealisation Taubheit, Kribbelgefühle Hitzewallungen, Kälteschauer Schmerz, Unwohlsein in der Brust Furcht zu sterben Furcht verrückt zu werden, vor Kontrollverlust

41 Medial Prefrontal Cortex, CingulatePanikattacken – Neuroanatomische Modell Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Medial Prefrontal Cortex, Cingulate Association Bundle Insula Amygdala Lateral Nucleus Central Nucleus of the Amygdala Hippocampus Sensory Thalamus Basal Nucleus Parabrachial Nucleus breathing frequency Raphe 5-HT BNST Nucleus of the Solitary Tract Hypothalamus N. ret. Pon. caud. Paraventricular Nucleus Lateral Nucleus Locus Ceruleus NA Periaqueductal Grey Region Cochl. Root Gang. Pituitary Gland Autonomic pathways RR, HR Fear response Acoustic startle Adrenal Glands Visceral Afferents Avoidance, freezing

42 Panikstörung Krankheitsaspekt Wissen 1-Jahres-Prävalenz 1-2%Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Krankheitsaspekt Wissen 1-Jahres-Prävalenz 1-2% Geschlechterverhältnis (f:m) 2:1 Komorbiditäten 60-90% Depression Familiäre Häufung 4-7 faches Risiko bei Erstangehörigen Höheres Risiko bei mono- vs. dizygoten Zwillingen 50-75% der Patienten haben dennoch keinen betroffenen angehörigen Verlauf Meist früher Beginn: 18. – 35. Lebensjahr Erste Panikattacke meist unerwartet Prognose verbessert durch VT und Psychopharmaka Komplikation Einschränkung sozialer Funktion Erhöhte Suizidrate Komorbidität: Sucht und Depression

43 Bei akuten Panikattacken: Erhaltungstherapie:Panikstörung - Pharmakotherapie Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bei akuten Panikattacken: Benzodiazepine, z.B. Alprazolam, Lorazepam Erhaltungstherapie: SSRI, z.B. Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin SNRI, z.B. Venlafaxin Zweite Wahl: TCAs, v.a. Imipramin, Clomipramin MAO-I, Trancylcypromin / Moclobemid Wichtig: allmählich aufdosieren, lange Wirklatenz

44 (kognitive) VerhaltenstherapiePanikstörung – (kognitive) Verhaltenstherapie Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Später mehr dazu!

45 Generalisierte Angststörung: Diagnostik und TherapieKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie

46 Generalisierte AngststörungKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Generalisierte, viele Lebensbereiche umfassende und anhaltende Angst Angst frei flottierend und heftet sich an verschiedenste Gedanken Exzessive Angst und Besorgnis >3 Zeichen motorischer Anspannung (z.B. Unruhe, muskuläre Verspannung, Zittern…) Vegetative Übererregbarkeit (Atemnot, Palpitation, Schwitzen, Mundtrockenheit) Hypervigilanz und erhöhte Aufmerksamkeit (z.B. sich angespannt fühlen, Schreckhaftigkeit, reizbar) Die meiste Zeit innerhalb von 6 Monaten

47 Generalisierte Angststörung - DSM-IVKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Diagnostische Kriterien (Auszug) Quellenangaben: APA (2003) A Übermäßige Angst und Sorge (furchtsame Erwartung) bezüglich mehrerer Ereignisse oder Tätigkeiten (wie etwa Arbeit oder Schulleistungen), die während mindestens 6 Monaten an der Mehrzahl der Tage auftreten. B Die Person hat Schwierigkeiten, die Sorgen zu kontrollieren.  C Die Angst und Sorge sind mit mindestens drei der folgenden 6 Symptome verbunden (wobei zumindest einige der Symptome in den vergangenen 6 Monaten an der Mehrzahl der Tage vorlagen)... (1)  Ruhelosigkeit oder ständiges „auf dem Sprung sein“, (2)  leichte Ermüdbarkeit, (3)  Konzentrationsstörungen oder Leere im Kopf, (4)  Reizbarkeit, (5)  Muskelspannung, (6)  Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder unruhiger, nicht erholsamer Schlaf)... E Die Angst, Sorge oder körperlichen Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen Funktionsbereichen...

48 Generalisierte AngststörungKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Krankheitsaspekt Wissen Lebenszeitprävalenz 3-5% 12-Monatsprävalenz 2-4% Punktprävalenz 1-3% Familiäre Häufung Familienstudien zeigen familiäre Häufung; Spezifität einer genetischen Komponente ist jedoch fraglich Spontanverlauf (unbehandelt) Chronisch und persistierend Nicht selten über ein Jahrzehnt oder länger Schwankungen in der Symptomschwere Verhältnis von Punkt- zu Lebenszeitprävalenz: 40-60% (somit höher als bei anderen Störungen) Komorbiditäten affektiven Störungen (71,6%): insbesondere Major Depression (60,9%) Angststörungen (57,8%) Quellenangaben: Wittchen, H.-U., Hoyer, J., Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg, 2011

49 Therapie: Generalisierte AngststörungKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Krankheitsaspekt Wissen Therapie Kognitive Verhaltenstherapie (v.a. Sorgenexposition) Pharmakotherapie (Benzodiazepine, SSRI‘s, Buspiron, SNRI‘s) Quellenangaben: Wittchen, H.-U., Hoyer, J., Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg, 2011

50 Belastungsstörung (PTBS):Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Diagnostik und Therapie

51 Posttraumatische Belastungsstörung – Diagnostik nach DSM-IVKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Die Diagnose PTBS ist an ein auslösendes „traumatisches“ Ereignis gebunden Zum Teil ungelöste Forschungsfragen: Was ist ein traumatisches Erlebnis? Warum entwickeln viele Betroffene auf schwerste Traumata keine PTBS? Notwendigkeit den wissenschaftlichen Traumabegriff bei der Diagnostik eng zu fassen und genau zu spezifizieren Quellenangaben: Wittchen, H.-U., Hoyer, J., Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg, 2011

52 Posttraumatische Belastungsstörung – Diagnostik nach DSM-IVKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kriterien Beschreibung der Kriterien Notwendige Bedingungen A. Konfrontation mit traumatischem Stressor Traumatisches Ereignis (A1) Subjektive Reaktion: Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen (A2) A1 + A2 B. Wiedererleben In Form von wiederkehrenden belastenden Erinnerungen (Intrusionen) wie Bildern, Gedanken, Wahrnehmungen (1), (Alb-)Träumen (2) und Flashbacks (3) erleben die Betroffenen das Trauma. Sie reagieren auf Auslöser mit physiologischer Erregung (4) und emotionaler Belastung (5). 1 aus 5 Symptomen C. Vermeidung und Aktive Vermeidung internaler und externaler Reize, die der Traumatisierung ähneln: belastungsauslösende Situationen, Aktivitäten, Erinnerungen, Gefühle und Gedanken (1), Menschen (2). Unfähigkeit, wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern (3). 3 aus 7 Symptomen emotionale Taubheit Das Interesse an Dingen, die den Betroffenen vor dem Trauma wichtig waren, ist gemindert (4); sie fühlen sich vom sozialen Umfeld entfremdet und losgelöst (5). Affektspielraum (6) und Zukunftsperspektive (7) sind eingeschränkt. Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

53 Posttraumatische Belastungsstörung – Diagnostik nach DSM-IVKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kriterien Beschreibung der Kriterien Notwendige Bedingungen D. Übererregung Dazu zählen Ein- und Durchschlafstörungen (1), erhöhte Reizbarkeit (2), Konzentrationsschwierigkeiten (3), Hypervigilanz (4) und über- mäßige Schreckreaktionen (5). 2 aus 5 Symptomen F. Die Symptome müssen länger als ein Monat andauern. G. Die Symptome rufen klinisch bedeutsame Belastungen oder Beeinträchtigungen im sozialen bzw. beruflichen Bereich und anderen wichtigen Funktionsbereichen hervor. Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

54 Posttraumatische Belastungsstörung – TraumataKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Einteilung nach Verursachung Einteilung nach Ereignistyp Typ-I-Traumata Typ-II-Traumata Krankheitsbedingte Traumata Akzidentelle Traumata schwere Verkehrsunfälle berufsbedingte Traumen (z. B. Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte) kurz dauernde Katastrophen (z. B. Wirbelsturm, Brand) lang dauernde Naturkatastrophen (z. B. Erdbeben mit Nachbebenserie, Überschwemmung) technische Katastrophen (z. B. Giftgaskatastrophen) mit anhaltenden Folgen akute lebensgefährliche Erkrankungen (z. B. kardiale, pulmonale Notfälle) chronische lebensbedrohliche/schwerste Krankheiten (z. B. Malignome, HIV/Aids) als notwendig erlebte medizinische Eingriffe (z. B. Defibrillationsbehandlung) Interpersonelle Traumata sexuelle Übergriffe (z. B. Vergewaltigung) kriminelle bzw. körperliche Gewalt ziviles Gewalterleben (z. B. Banküberfall) sexueller und körperlicher Missbrauch in der Kindheit bzw. im Erwachsenenalter Kriegserleben Geiselhaft Folter, politische Inhaftierung (z. B. KZ-Haft) komplizierter Behandlungsverlauf nach angenommenem Behandlungsfehler Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

55 Trauma-Häufigkeit (%)Posttraumatische Belastungsstörung – Traumata Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Trauma Trauma-Häufigkeit (%) PTSD-Häufigkeit (%) Vergewaltigung 5,5 55,5 Kriegsteilnahme 3,2 38,9 Misshandlung i. d. Kindheit 2,7 21,8 Sexuelle Belästigung 7,5 19,3 Waffengewaltandrohung 12,9 17,2 Unfälle 19,4 7,6 Zeuge (v. Unfällen, Gewalt) 25,0 7,0 Feuer / Naturkatastrophen 17,1 4,5

56 Posttraumatische Belastungsstörung - KomorbiditätenKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Quellenangaben: Kessler, R.C., Sonnega, A., Bromet, E., Hughes, M. & Nelson, C.B. (1995). Posttraumatic stress disorder in the National Comorbidity Survey. Archives of General Psychiatry, 52(12), 1048–1060.

57 Posttraumatische Belastungsstörung - KomorbiditätenKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Quellenangaben: Kessler, R.C., Sonnega, A., Bromet, E., Hughes, M. & Nelson, C.B. (1995). Posttraumatic stress disorder in the National Comorbidity Survey. Archives of General Psychiatry, 52(12), 1048–1060.

58 Posttraumatische Belastungsstörung - VerlaufKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

59 Diagnostik und TherapieKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Zwangsstörung: Diagnostik und Therapie

60 Übersicht zum KrankheitsbildKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Krankheitsaspekt Wissen Lebenszeitprävalenz 1,5 -3% Punktprävalenz 1-2% Geschlechterverhältnis (f:m) Annähernd 1:1 Erkrankungsalter (Median) Häufigkeitsgipfel 20. – 25. Lebensjahr Erste Symptome bei Mehrzahl vor dem 18. Lebensjahr Unbehandelt bei ca. 50% „lebenslanger“, meist fluktuierender Verlauf, selten episodischer Verlauf Komorbiditäten Depression im Verlauf bei > 50 % der Patienten; häufig soziale Phobie, selbstunsichere und dependente Persönlichkeitsstörungen, Anorexia nervosa, Panikstörung, sekundärer Alkoholabusus, Psychosen und Tic-Störungen Erbfaktor Ca. 40%, Risikoerhöhung bei Erstgradangehörige Faktor 6 Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 60

61 Zwangsstörung Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Zwangsgedanken sind sich wiederholt aufdrängende Gedanken oder Vorstellungen, die starke Angst oder Unwohlsein auslösen. Zwangshandlungen sind ritualisierte Handlungen, die willentlich ausgeführt werden, um Anspannung zu reduzieren oder eine vermeintliche Katastrophe abzuwenden. Zwangshandlungen sind willentliche Handlungen oder Gedanken, zu deren Ausführung sich die Betroffenen gedrängt fühlen. Zwangshandlungen Zwangsgedanken und Waschen Kontrollieren Bilder, Impulse Gedanken Quellenangaben: Wittchen, H.-U., Hoyer, J., Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg, 2011 Berking, M., Rief, W., Klinische Psychologie und Psychotherapie für Bachelor. Berlin Heidelberg, 2012

62 Zwangsstörung – Diagnostik nach ICD 10 F42. ZwangsstörungKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie F42. Zwangsstörung A. Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen an den meisten Tagen über mindestens 2 Wochen B. Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen haben folgende Merkmale: Sie werden als eigene Gedanken/Handlungen angesehen und nicht als von anderen eingegeben. Sie treten wiederholt auf und werden zumindest teilweise als übertrieben oder unsinnig erkannt. Die Betroffenen versuchen, Widerstand gegen Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen zu leisten. Gegen mindestens einen Zwangsgedanken/-handlung wird gegenwärtig erfolglos Widerstand geleistet. Die Ausführung einer Zwangshandlung ist für sich genommen nicht angenehm. C. Die Zwangsgedanken/Zwangshandlungen verursachen deutliches Leiden oder beeinträchtigen die individuelle Leistungsfähigkeit oder soziale Aktivitäten. D. Die Störung ist nicht durch eine andere psychische Störung (z. B. Schizophrenie, affektive Störung) bedingt. Quellenangaben: Berking, M., Rief, W., Klinische Psychologie und Psychotherapie für Bachelor. Berlin Heidelberg, 2012

63 Zwangsgedanken – typische InhalteKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Thema Gedanke Ansteckung „Die Person (der man gerade die Hand gegeben hat) ist HIV-positiv“ Aggressive Gedanken „Ich könnte mein Kind erstechen“ Sexuell „Ich könnte meine Tochter vergewaltigen“ Unglück „Ich könnte den Gullydeckel weggestoßen haben und jemand könnte in das Loch fallen“ Sich lächerlich machen „Ich könnte mich öffentlich blamieren“ Magisches Denken „Die Zahl 7 bedeutet Unglück“ Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

64 Zwangsstörung - SymptomhäufigkeitKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Zwangshandlungen Häufigkeit Kontrolle („Checking“) 63% Wachen („Cleaning“) 60% Zählen 36% Symmetrie 28% Horten 18% Zwangsgedanken Häufigkeit Beschmutzung 45% Körper 36% Symmetrie 31% Aggressive Impulse 28% Sexuelle Vorstellungen 26%

65 wichtigste BehandlungsgrundsätzeZwangsstörung – wichtigste Behandlungsgrundsätze Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Methode der ersten Wahl: kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition und Reaktionsmanagement Pharmakotherapie: Antidepressiva mit starker Serotonin- Wiederaufnahmehemmung, d. h. die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Clomipramin Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer in der Regel unwirksam Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

66 Kognitiv-verhaltenstherapeutische InterventionenKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen

67 Grundzüge kognitiv-verhaltens-therapeutischer InterventionenKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Behandlungselement Panik-syndrom Agora-phobie Spezifische Phobie Soziale Zwangs- störung GAS Aufklärung: Erklärungsmodell u. therapeutisches Vorgehen vermitteln Kognitive Interventionen Kognitive Umstrukturierung von Fehlinterpretationen Korrektur der Fehlinterpretation körperlicher Symptome Verhaltensexperimente Selbstinstruktion Konfrontation mit angstauslösenden Reizen und Reaktionsverhinderung Internale Reize (z.B. Schwindeln Atemnot, Herzrasen) Externale Reize (z.B. Kaufhäuser, Brücken, soziale Situationen) (teilnehmendes) Modelllernen X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X

68 Psychoedukation Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

69 Psychoedukation Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

70 Physiologische VeränderungenKrankheitsmodell – Teufelskreis der Angst Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Äußere Reize Körperliche Symptome Wahrnehmung Gedanken („Gefahr“) Physiologische Veränderungen Angst Sichtbares Verhalten

71 dysfunktionale KognitionenKognitive Aspekte: dysfunktionale Kognitionen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Symptome Typische Gedanken / Fehlinterpretation Papilationen Brustschmerzen Ich bekomme einen Herzinfarkt. Schwitzen Herzrasen Atembeschwerden Schwindel Ich werde in Ohnmacht fallen. Schwächegefühl Ich habe eine Hirntumor. Zittern, Blässe Ich bekomme einen Schlaganfall. Atemnot Ich ersticke. Kloß im Hals Derealisations- und Depersonalisations-Gefühl Ich verliere die Kontrolle über mich. Ich werde verrückt Alle intensiven Angstsymptome Diese Angst bringt mich um.

72 dysfunktionaler KognitionenModifikation dysfunktionaler Kognitionen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Allgemeines Korrekturschema Beispiel 1. Identifikation von Fehlinterpretationen „Ich bekomme einen Infarkt.“ 2. Überzeugungsrating (0-100) des Patienten. 3. Sammeln aller Argumente, die für eine Fehlinterpretation sprechen. Papilationen, Brustschmerz 4. Sammeln aller Argumente, die gegen die Fehlinterpretation sprechen. Alle medizinischen Befunde ohne Befund 5. Erstellen einer alternativen Erklärung. Psychophysiologisches Modell 6. Sammeln aller Argumente, die für die alternative Erklärung sprechen 7. Überzeugungsratings für die Fehlinterpretation. 8. Überzeugungsrating für die alternative Erklärung

73 KonfrontationsrationalKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

74 Expositionstherapie (in vivo / in sensu)Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

75 Graduelle KonfrontationExpositionsvarianten Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Graduelle Konfrontation Zunehmende Schwierigkeit der zu bewältigenden Situation Massierte Konfrontation Konfrontation beginnt mit stark angstauslösenden Situationen Mehrere Stunden täglich an aufeinander folgenden Tagen Bei schweren Phobie erfolgreicher

76 Real gefährliche Situationen (z.B. Absturzgefahr)Kontraindikationen für Expositionen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Real gefährliche Situationen (z.B. Absturzgefahr) Komorbidität mit einer körperlichen Erkrankung, die die körperliche Belastbarkeit einschränkt (z.B. Herz-Kreislauferkrankungen, Epilepsie, Asthma)

77 Warum keine Psychoanalyse?Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Freud (1917) …man wird kaum einer Phobie Herr, wenn man abwartet, bis sich der Kranke durch die Analyse bewegen lässt, die Phobie aufzugeben Man muss anders vorgehen. Nehmen Sie das Beispiel eines Agoraphoben; es gibt zwei Klassen von solchen, eine leichtere und eine schwerere. Die ersteren haben zwar jedes Mal unter Angst zu leiden, wenn sie auf die Straße gehen, aber sie haben das Alleingehen darum noch nicht aufgegeben; die anderen schützen sich vor der Angst, indem sie auf das Alleingehen verzichten Bei diesen letzteren hat man nur dann Erfolg, wenn man sie dazu bewegen kann…, …auf die Straße zu gehen und während dieses Versuchs mit der Angst zu kämpfen

78 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bei Fragen bitte unter: